Es ist ein Fest der Farben: Der strahlend blaue Himmel über dem Domgrund rötet sich langsam, die letzten Sonnenstrahlen blitzen durch das Dach der Sukka auf die Schale mit dunkelroten Granatäpfeln, violetten Trauben und der honiggelben Melone.
Das Orange der Kürbissuppe, das satte Grün der Lauch-Quiche und das zarte Braun der Challot streiten sich um die Aufmerksamkeit der Gäste.
Das Leuchten der Sonnenblumen in ihrer Vase verbündet sich mit den blauen Tüchern, aus denen die Sukka, die Laubhütte, der Betergemeinschaft mischkan ha-tfila in diesem Jahr gewebt ist: Die Juden und Jüdinnen des liberalen Minjan in Bamberg feiern Sukkot!
Lange Zeit kein festes Zuhause zu haben, stattdessen aus dem Provisorium zu leben und darin so irgendwie Heimat zu finden; die Sehnsucht nach dem „irgendwohin gehören“ in der Zugehörigkeit zu anderen Menschen zu finden; diese Sehnsucht wachhalten und sie – im Bewusstsein der Verheißung des Ewigen – sogar zu feiern: Diese urmenschliche Erfahrung ist für Juden in aller Welt ein Identitätsmarker – und einer der Hintergründe von Sukkot, dem siebentägigen Fest, das sich an die Hohen Feiertage, an Rosch Haschana und Jom Kippur anschließt. Es ist eines der drei jüdischen Wallfahrtsfeste und erinnert an die Zeit als das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten in der Wüste unterwegs war.
Über die Jahrhunderte entwickelte sich eine weitere Bedeutung dieses Festes: Es ist zugleich die freudige Feier, die für die Ernte des Jahres dankt.
Nun leben Jüdinnen und Juden in Bamberg heute nicht mehr von der Landwirtschaft und sind durchaus seßhaft. Sukkot feiern sie dennoch. Denn sie teilen die Erfahrung der Generationen vor ihnen: Trotz der sehnsüchtigen Wunde der Heimatlosigkeit können sie dankbar sein für das, was ist, für das Alltägliche, für die Ernte der Arbeit – im Vertrauen auf das Dabeisein des Ewigen.
Die deutsche Bezeichnung „Laubhüttenfest“ erzählt davon, wie dieses Fest eine Woche lang gefeiert wird und erklärt, weshalb sich der liberale Minjan auch an diesem Abend in der Sukka trifft: Juden und Jüdinnen, die Sukkot feiern, leben in dieser Woche in der „Laubhütte“, dem Provisorium mit offenem Dach: Hier wird gebetet und gelernt, gegessen und die Zeit miteinander verbracht.
Sie bleiben zusammen bis man die Sterne durch das Dach der Laubhütte sieht: Die Nacht ist angebrochen und der neue Tag wird neue Möglichkeiten bringen.